Surveillance von nosokomialen Infektionen

Die Surveillance von nosokomialen Infektionen ist seit 2011 gesetzlich vorgeschrieben und betrifft eine Vielzahl von medizinischen Einrichtungen. In diesem Rahmen hält das Hygienefachpersonal relevante Patientendaten und Risikofaktoren fest und reichert so eine einrichtungsübergreifende Datenbank mit Informationen an. Auf diese Weise können präventive Maßnahmen ergriffen werden, die die Zahl der auftretenden nosokomialen Infektionen möglichst auf ein Minimum reduzieren. Der folgende Beitrag gibt Informationen rund um das Thema Surveillance von nosokomialen Infektionen und zeigt, was die KRINKO medizinischen Einrichtungen empfiehlt. 


Was ist Surveillance von nosokomialen Infektionen?

Die Surveillance dient dem besseren Verständnis und der Bekämpfung nosokomialer Infektionen. Dabei werden fortlaufend und systematisch Daten 

– erfasst 

– analysiert 

– interpretiert und 

– übermittelt.

Auf diese Weise können medizinische Schlussfolgerungen gezogen werden, sodass die Einrichtungen die erforderlichen präventiven Maßnahmen ergreifen können. 

Das Infektionsschutzgesetz sieht die Surveillance von nosokomialen Infektionen seit 2011 verpflichtend für Leiter:innen von Krankenhäusern, Einrichtungen für ambulantes Operieren und für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen vor, in denen eine medizinische Versorgung sichergestellt wird, die dem Standard von Krankenhäusern entspricht. 

Das Robert-Koch-Institut legt fest, welche nosokomialen Infektionen zu erfassen sind und veröffentlicht diese Informationen im Gesundheitsblatt. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) verwertet die Erkenntnisse und gibt Empfehlungen, wie medizinische Einrichtungen die Surveillance von nosokomialen Infektionen umsetzen können. 

Diese Empfehlungen beschränken sich allerdings auf nosokomiale Infektionen und umfassen keine Krankheitserreger mit speziellen Resistenzen oder Multiresistenzen. Auch die Art der Dokumentation nosokomialer Infektionen zur externen Qualitätssicherung – beispielsweise im Fall von postoperativen Wundinfektionen – ist kein Bestandteil der Empfehlung. Sie bezieht sich ausschließlich auf das interne Qualitätsmanagement. 

Wann ist eine Infektion nosokomial? 

Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) orientiert sich weitgehend an den Definitionen des Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Danach ist eine Infektion nosokomial, wenn der Infektionstag frühestens der dritte Tag des Krankenhausaufenthalts ist. Als der erste Tag wird der Tag der Aufnahme definiert. Der Infektionstag ist der Tag, an dem zum ersten Mal (spezifische oder unspezifische) Infektionszeichen festgestellt werden. 

Nicht anwendbar ist diese Definition hingegen für postoperative Wundinfektionen. 

Treten die Infektionszeichen bereits vor dem dritten Tag des Krankenhausaufenthalts auf, wird die Infektion nicht als nosokomial, sondern als mitgebracht bezeichnet. 

Welche Ziele verfolgt die Surveillance von nosokomialen Infektionen? 

Die Surveillance von nosokomialen Infektionen dient der effektiven Gewinnung und Verbreitung von neuen medizinischen Erkenntnissen, mit denen die Häufigkeit nosokomialer Infektionen reduziert werden kann. Um dies zu erreichen, ist eine fortlaufende und systematische Dokumentation notwendig, die hohen Qualitätsansprüchen gerecht wird. 

Im Zusammenspiel mit nationalen Referenzdaten ergibt sich ein umfassendes Bild, das Schlüsse auf geeignete Präventionsmaßnahmen zulässt. Schließlich soll die Datensammlung auf nationaler Ebene einen direkten Vergleich ermöglichen und eine Motivation für medizinische Einrichtungen schaffen. 

Trotz der gewissenhaften Umsetzung aller bekannten Sicherheitsmaßnahmen ist die gänzliche Verhinderung von nosokomialen Infektionen nicht möglich und damit auch nicht das Ziel der Surveillance. Ebenso wenig soll die Identifikation von Ausbrüchen nosokomialer Infektionen erleichtert werden, da die Surveillance dafür nicht die effektivste Methode ist. 

Im Fokus steht hingegen ein nachhaltiges Qualitätsmanagement nach dem “Plan-Do-Check-Act”-Zyklus. Die Surveillance von nosokomialen Infektionen dient dazu, ausreichend Daten zu sammeln, um geeignete Lösungen zu finden und zu implementieren. 

Wer übernimmt die Surveillance von nosokomialen Infektionen? 

Idealerweise wird die Surveillance von nosokomialen Infektionen von dem Hygieneteam des Krankenhauses durchgeführt. Dafür empfiehlt sich eine epidemiologische Weiterbildung des Hygienefachpersonals. Der Einsatz von Personen, die nicht direkt an der Behandlung mitwirken, erleichtert die objektive und unvoreingenommene Anwendung der festgelegten Definitionen. Deshalb sollten nicht die Ärztinnen und Ärzte oder das Pflegepersonal selbst damit betraut werden. Hinzu kommt, dass auf diese Weise stets ein fester Personenkreis die Surveillance von nosokomialen Infektionen durchführt und bereits mit den Methoden und den Definitionen vertraut ist. 

Können oder sollen die Hygienefachkräfte nicht die Surveillance übernehmen, kann sie von hygienebeauftragten Ärztinnen und Ärzten oder von Stationsärztinnen und -ärzten durchgeführt werden. Dies kann allerdings zu einer mangelnden Sensitivität im Rahmen der Diagnosestellung von nosokomialen Infektionen führen und so die Qualität der gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse beeinflussen. Hier ist es hilfreich, wenn sich die (hygienebeauftragten) Ärztinnen und Ärzte regelmäßig mit dem Hygienefachpersonal austauschen. So wird die Sensitivität erhöht und die spätere Akzeptanz der gefundenen Ergebnisse verbessert. 

Welche Surveillance-Methoden stehen Einrichtungen zur Verfügung? 

Je nachdem, welche Ziele medizinische Einrichtungen verfolgen, stehen unterschiedliche Surveillance-Methoden zur Verfügung. Im Hinblick auf die Methodenwahl spielt nicht nur die Effektivität eine Rolle, sondern auch die Aufwand-Nutzen-Relation. 

Die KISS-Methode 

Insbesondere in Risikobereichen hat sich zum Beispiel die sogenannte KISS-Methode etabliert. Die Abkürzung steht für “Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System”. Mit ihr können Einrichtungen auf umfassende Datensätze zugreifen und so von einem schon vorhandenen Wissensstand profitieren, ohne selbst partizipieren zu müssen. Verfügbar und anerkannt sind bereits diverse Protokolle samt Definitionen sowie Referenzdaten aus anderen Einrichtungen, die zudem die Grundlage für Qualitätssicherungskriterien bilden. 

Medizinische Einrichtungen können darüber hinaus ein etabliertes Schulungskonzept und Dateneingabesysteme nutzen. Auch profitieren sie von webbasierten Systemen, mit deren Hilfe sie ihre eigenen Infektionsraten berechnen. 

Möchten medizinische Einrichtungen von der KISS-Methode profitieren, ohne an dem System teilzunehmen, können sie dennoch die verfügbaren Protokolle nutzen. Nicht erforderlich ist dabei die Teilnahme an Einführungskursen oder an einem Erfahrungsaustausch. Allerdings erhalten die Mitarbeiter in diesem Fall kein regelmäßiges Training in Bezug auf den Umgang mit den etablierten Definitionen. Auch die Dateneingabe- und Berechnungssysteme stehen nicht zur Verfügung, sodass sich der Nutzen auf das theoretische Wissen beschränkt. 

Die Entwicklung einer eigenen Surveillance-Methode 

Einrichtungen haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihre individuelle Surveillance-Methode mit eigenen Definitionen zu etablieren. Dabei können sie auf die einzigartigen Gegebenheiten in der Einrichtung eingehen und so zum Beispiel besondere Risikofaktoren berücksichtigen, die andernfalls keine Rolle spielen würden. Die Aufstellung einer eigenen Methode unter der Mitwirkung des Personals fördert zudem die Akzeptanz der Ergebnisse. 

Allerdings fehlen in diesem Fall vorgegebene Anhaltspunkte und Referenzdaten, womit medizinische Einrichtungen auf sich gestellt sind und viel Zeit und Arbeit in den Aufbau ihres Systems investieren müssen. Informationen können lediglich aus der eigenen Historie oder aus literarischen Werken gezogen werden. Dies steigert die Fehleranfälligkeit und macht die Etablierung einer eigenen Methode zu einem komplexen Vorhaben, das einen hohen Erfahrungsschatz der mitwirkenden Personen fordert. 

Wie wird die Surveillance von nosokomialen Infektionen durchgeführt? 

Das zuständige Hygienefachpersonal sollte idealerweise regelmäßig auf den Stationen anwesend sein, um einen Überblick über die Geschehnisse und den Zustand der Patienten zu erhalten. Damit Patienten mit nosokomialen Infektionen leichter identifiziert werden können, kann sich das Hygienefachpersonal anerkannter Indikatoren bedienen: 

Primäre Blutstrominfektion (durch das Labor bestätigt)

– Fieber 

– Blutkulturbefunde 

– Wechsel des zentralen Gefäßkatheters 

– Antibiotikatherapie 

Harnwegsinfektion 

– Fieber 

– mikrobiologische Befunde 

– Wechsel des Harnwegskatheters 

– Antibiotikagabe 

Pneumonie 

– Fieber 

– Röntgen-Thorax 

– Mikrobiologische Befunde von bronchoalveolärer Lavage oder Trachealsekret 

– Antibiotikagabe 

– Bronchoskopische Untersuchungen 

C. difficile-Infektion 

– Diarrhö 

– Mikrobiologische Befunde 

– CDI-spezifische Antibiotikatherapie 

Postoperative Wundinfektion 

– Fieber 

– Antibiotikagabe 

– Diagnose des Arztes 

– mikrobiologische Ergebnisse von Wundabstrichen oder Drainageflüssigkeit 

– Revisionsoperationen 

– Wiederaufnahme eines Patienten 

Auch hier ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Personal der Station oder Abteilung unabdingbar, um weitere Hinweise auf nosokomiale Infektionen zu erhalten. Um etwaige Indikationen schnell und zuverlässig zu finden, sollten die Patientenakten so aufgebaut sein, dass das Hygienefachpersonal die zentralen Informationen schnell einsehen kann. 

Wurde eine Indikation festgestellt, wird nun anhand der KISS-Definition (oder anhand eigener Surveillance-Methoden) überprüft, ob eine nosokomiale Infektion vorliegt. Dies gilt auch für den Fall, dass die nosokomiale Infektion nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus auftritt. Die Erfassung der Daten ist dann zwar mit einem erhöhten Aufwand verbunden, dient aber dennoch der Informationsgewinnung und dem Erhalt eines umfassenden Bildes. Da viele Einrichtungen diesen erhöhten Aufwand nicht leisten können, lassen sich die Infektionen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus allerdings nicht bei der KISS-Methode oder ähnlichen Analysen berücksichtigen. 

Wie werden die Daten im Rahmen der Surveillance von nosokomialen Infektionen erfasst? 

Um eine vertretbare Zeitaufwand-Nutzen-Relation zu wahren, muss das Hygienefachpersonal keinesfalls umfassende Informationen über die infizierten Patienten erfassen. Stattdessen reicht es, wenn die wichtigsten Risikofaktoren notiert werden, wobei die Einteilung entweder einrichtungsbezogen, stationsbezogen oder patientenbezogen erfolgen kann. 

Damit einheitliche Surveillance-Daten erzeugt werden und die Erhebung auch über einen langen Zeitraum homogen bleibt, empfiehlt sich die Nutzung von Surveillance-Protokollen. Sie geben vor, welche Informationen in welcher Form festgehalten werden und erzeugen selbst dann einheitliche Ergebnisse, wenn die verantwortlichen Personen wechseln. 

Nutzen medizinische Einrichtungen die KISS-Methode, ist die Verwendung der KISS-Protokolle verpflichtend. Dies dient der Qualitätssicherung und soll gewährleisten, dass eine Vielzahl von partizipierenden Einrichtungen die Referenzdaten korrekt anreichert und mit ihnen arbeiten kann. 

In welchen Bereichen wird die Surveillance von nosokomialen Infektionen durchgeführt? 

Die krankenhausweite Surveillance von nosokomialen Infektionen bietet sich in den meisten Fällen nicht an, da dies weder kosteneffektiv noch sinnvoll ist. Stattdessen können sich medizinische Einrichtungen auf die Datenerhebung in den Bereichen fokussieren, in denen besonders häufig nosokomiale Infektionen auftreten. Das kann zum Beispiel dort der Fall sein, wo Frühgeborene behandelt werden, hämatologisch-onkologische Patienten oder Intensivpatienten. 

Surveillance von nosokomialen Infektionen – Fazit 

Die Surveillance von nosokomialen Infektionen ist ein wichtiger Bestandteil des präventiven Infektionsschutzes. Medizinische Einrichtungen sammeln relevante Daten, werten sie aus und gleichen sie mit Referenzdaten ab. Das Verfahren wird durch die Nutzung etablierter Systeme wie KISS vereinfacht, da sich Einrichtungen hier anerkannter Definitionen und Vergleichswerte bedienen können. Krankenhäuser können allerdings auch ein eigenes System entwickeln, das die Besonderheiten der jeweiligen Einrichtung berücksichtigt. Indem das Hygienefachpersonal die Erhebung der Daten auf die wichtigsten Informationen und die Bereiche beschränkt, in denen die höchsten Infektionszahlen auftreten, entsteht eine effektive Zeit-Nutzen-Relation.

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